Ein Mann, es ist der Künstler, schwingt an einem Seil um einen Baum herum. Ganz weit oben ist das Seil befestigt und eng um den Baumstamm gewickelt; der Künstler hängt mit Gurten gesichert daran und den Rest erledigen Schwer- und Fliehkräfte. Jonas Maria Ried umkreist den Baum in immer größerem Abstand, das Holz knarzt und knirscht ob der ungewohnten seitlichen Belastung. Nach wenigen Sekunden ist das Spektakel vorbei und es kehrt wieder Ruhe ein.
In Waldrandfichte (2019) fällt Ried einen Baum, den er mit einer beweglichen Konstruktion wieder auf dem ursprünglichen Stumpf befestigt und hernach um sich selbst kreisen lässt. Ganz einfach und jenseits aller Vorstellungskraft.
Jonas Maria Rieds Eingriffe in die Natur und in das ländliche Leben seiner Umgebung sind minimal – und doch geht von ihnen eine große Faszination aus und sie machen die Betrachter*innen staunen. Man möchte gar nicht damit aufhören, die meditativen Dokumentationen dieser Aktionen zu betrachten. In Talking to Cows (2021) spielt er Kühen in verschiedenen Ställen mit einem Instrument irgendwo zwischen Alphorn und Didgeridoo etwas vor: keine Musik, eher langanhaltende brummende Geräusche. Er setzt einen Grundton, in welche die Kühe mit ihrem Muhen und dem Läuten ihrer Glocken auf merkwürdige Weise einstimmen.
Under Falling Water (2024) zeigt eine Hütte unter einem Wasserfall. Sie scheint benutzt und in einem guten Zustand, einige der Aufnahmen stammen auch aus ihrem Inneren, aber fast jede Einstellung wirft für die Betrachter*innen neue Fragen auf: Ist das real? Wie kann das sein? Wie wird diese Hütte betreten? Wie wurde sie da gebaut? Wie geht das?
Jonas Maria Ried (*1989 in München) absolvierte von 2009 bis 2012 eine Ausbildung zum Holzbildhauer in Garmisch-Partenkirchen. Von 2012 bis 2020 studierte er an Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und war Meisterschüler im dortigen Weißenhof-Programm. Ried lebt und arbeitet in Weitnau im Allgäu.
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